Jugoslawien - Anfang und Ende eines ungewollten Staatengebildes

Jugoslawien entstand als Staat erst nach dem 1. Weltkrieg und blieb es bis 1980 unter seinem legendären Führer Tito. Nach dessen Tod zerfiel der Vielvölkerstaat nach und nach in seine Einzelstaaten, die sich alle selbstständig machten. Im Jahre 2006 trennte sich die Staatengemeinschaft Serbien und Montenegro. Damit war die Bezeichnung "Jugoslawien" endgültig von der Landkarte verschwunden.

Vorgeschichte - 1. Weltkrieg - 2. Weltkrieg - Gründung Jugoslawiens - Ende Jugoslawiens - Quellen

Die Vorgeschichte:

Im 3. Jahrhundert nach Christus erfolgte die große Wanderung der slawischen Völker auf die Balkanhalbinsel. Über den Balkan zogen Kelten, Römer, Hunnen, Ostgoten und Südslawen aus dem Karpatengebiet.

Im 9. Jahrhundert entstanden die ersten Staatsgebilde. Um 830 gründete Fürst Vlastimir den unabhängigen serbischen Staat Raška. 925 gab es mit Tomislaw einen ersten König von Kroatien - aber schon 1091 wurde Kroatien mit dem Ende seiner Dynastie mit Ungarn vereinigt. 976 gründete der bulgarische Zar Samuel einen makedonischen Staat, der aber bereits 1018 unter byzantinische Herrschaft geriet.

Und weiter...

Alle slawischen Gemeinschaften standen weiterhin in Auseinandersetzungen bzw. unter der Herrschaft von Österreich (den Habsburgern), Ungarn und der Türkei. Dubrovnik kam unter venezianische Herrschaft, Großserbien unter die der Nemanjiden. Stefan Nemanja machte Serbien von Byzanz unabhängig und sorgte für seine Ausdehnung.

1346 ließ sich Stefan Dušan zum Zaren der Serben, Griechen, Bulgaren und Albaner krönen. Byzanz bekämpfte das neue Reich mit Hilfe der Türken energisch; bei einem der Feldzüge starb Dušan, und sein Serbisches Reich zerfiel.

1389 zerschlug die türkische Armee auf dem Amselfeld (Kosovo-Polje) das serbische Heer. Die Türken besetzten Bosnien, die Habsburger behielten Nordkroatien und Slowenien, die Venezianer Dalmatien. Herzegowina, Montenegro und Ragusa (Dubrovnik) bewahrten ihre Unabhängigkeit. Nach mehreren lokalen Kämpfen und Kriegen kam es 1699 zum Frieden von Karlowitz: Österreich erhielt Südkroatien, Slawonien und Nordserbien; im Frieden von Passorowitz (1719) zusätzlich Bosnien und Südserbien; allerdings mußte Österreich im Frieden von Belgrad (1739) Südserbien und Belgrad wieder an die Türken zurückgeben.

Aber die Serben übten sich weiterhin immer wieder in Aufständen gegen die Türken. 1877 erfolgte zusammen mit dem Ausbruch des russisch-türkischen Krieges die endgültige Vertreibung der Türken aus Serbien und Bosnien. Auf dem Berliner Kongreß (1878) erhielten Serbien und Montenegro die Unabhängigkeit; Bosnien und Herzegowina kamen unter österreichisches Mandat und wurden 1908 annektiert. 1882 wurde Serbien Königreich, 1910 Montenegro ebenfalls. 1912 bis 1913 erfolgte die Vertreibung der Türken aus den besetzten Balkanstaaten, 1914 brach mit der Ermordung des österreichisch-ungarischen Thronfolgers Franz Ferdinand in Sarajevo der Erste Weltkrieg aus.


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Die Folgen des 1. Weltkrieges

Im 1. Weltkrieg wurde die Bildung eines Staates aller Serben, Kroaten und Slawen unter der Führung Serbiens vorangetrieben. Am 1. Dezember 1918 verkündete Alexander Karadjordjevi´c als Prinzregent das Königreich der Serben, Kroaten und Slowenen ("Kraljevina SHS"). Es gab aber Grenzziehungsprobleme, die auch der Friedenskongreß von Versailles nicht beseitigte. Statt dessen gab es Einzelverträge mit Bulgarien (Neuilly, 1919-11-27) und Italien (Rapallo, 1920-11-12).

Das neue Reich unter Alexander Karadjordjevi'c (seit 1921 als König) hatte 13 Millionen Einwohner, darunter auch nichtslawische Minderheiten, nämlich im Norden eine deutsche und eine ungarische Volksgruppe und im Süden albanische und türkische Minderheiten. Außerdem blieben etwa 200.000 Kroaten und 400.000 Slowenen außerhalb des neuen Staates.

Kroaten und Slowenen wollten sich den zentralistischen Absichten der Serben nicht anschließen. Schwierigkeiten erwuchsen auch aus der Tatsache, dass die Serben orthodox und von balkanischer Kultur waren, währen die Kroaten größtenteils römisch-katholisch und kulturell westlich ausgerichtet waren.

Eine Zersplitterung der Parteien verhinderte eine stabile Regierung. 1929 löste der König das Parlament auf und führte ein diktatorisches Regime ein. 1931 gab er dem Land als "Königreich Jugoslawien" eine neue (autoritäre) Verfassung, 1934 wurde er bei einem Besuch in Marseille ermordet, sein Nachfolger wurde Prinz Paul Karadjordjevi´c. Premierminister Stojadinovi'c schloß 1937 mit Bulgarien einen Vertrag, in dem auf das jugoslawische Makedonien verzichtet wurde. 1939 erhielten die Kroaten weitgehende Autonomie mit einem selbst gewählten Parlament.


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Die Folgen des 2. Weltkrieges

Im Zweiten Weltkrieg, zu dessen Beginn Jugoslawien gezwungen wurde, sich dem Dreimächtepakt anzuschließen, brach das Land unter dem Angriff Deutschlands rasch zusammen und wurde zwischen Italien, Deutschland, Ungarn, Bulgarien, Albanien und unter einen "Unabhängigen Staat Kroatien", Montenegro und Restserbien aufgeteilt. Die letzte königliche Regierung war ins Exil nach London geflüchtet.


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Die Gründung von Jugoslawien:

Jugoslawische Partisanen unter Josip Broz Tito bildeten 1942 den antifaschistischen Rat der nationalen Befreiung (AVNOJ), der schließlich die Exilregierung ersetzte; die Westmächte anerkannten Tito als "Marschall Jugoslawiens". Am 29. November 1945 rief eine verfassunggebende Versammlung die Republik aus; Tito wurde erster Ministerpräsident; am 15. Januar 1946 wurde dann die Verfassung der "Föderativen Volksrepublik von Jugoslawien" verabschiedet. Zu dem Föderativstaat gehören: Serbien, Kroatien, Slowenien, Bosnien-Herzegowina, Makedonien und Montenegro mit jeweils eigenen Verfassungen. Die kommunistische Führung brach 1948 mit der Sowjetunion und ging von da an einen eigenen Weg, der sich an Albanien, Griechenland und die Türkei annäherte. 1953 wurde Tito nach einer Verfassungsänderung Staatspräsident und blieb es bis zu seinem Tod 1980.


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Das Ende von Jugoslawien:

Nach Titos Tod zerfiel das künstliche Staatsgebilde, indem vielerorts Autonomiebestrebungen aufflammten, die sich zu Kämpfen und richtigen Kriegen entwickelten. Teile des Vielvölkerstaats machten sich mit internationaler Unterstützung selbstständig und wurden als eigene Staaten anerkannt (Bosnien-Herzegowina, Kroatien und Slowenien); andere Regionen, vor allem Kosovo, kämpfen bis heute weiter um Autonomie.

Als Bundesrepublik Jugoslawien blieb nur noch ein Rest des ehemaligen Staatsgebildes (Serbien und Montenegro) mit Belgrad als Hauptstadt übrig, dominiert von den Serben. Am 15. Juli 1997 wurde Slobodan Milosevic von der sozialistischen Mehrheit im Bundesparlament zum neuen Staatsoberhaupt gewählt, am 23. Juli übernahm er das Amt des Präsidenten der Bundesrepublik Jugoslawien.

Im Herbst 2000 wurde er wegen Kriegsverbrechen vor dem internationalen Gerichtshof in Den Haag angeklagt. In einer ersten demokratischen Wahl wurde Vojislav Kostunica neuer Staatspräsident.

Im Jahre 2003 wurde unter Mitwirkung der Europäischen Union eine neue Verfassung ausgearbeitet, in der der Staat Jugoslawien durch die Staatengemeinschaft Serbien-Montenegro abgelöst wird. Als ihr erster Präsident - und damit Nachfolger von Kostunica - wurde Svetozar Marovic gewählt.

Im April 2006 fand in Montenegro eine Volksabstimmung statt, bei der sich 55,4 Prozent der Bevölkerung für die Loslösung von Serbien entschieden. Im Mai 2006 stimmten dann 56,3 (nach anderen Angaben 55,5) Prozent der 485.000 Stimmberechtigten in einem Referendum für die Loslösung von Serbien, was am 3. Juni offiziell wurde. Die Europäische Union und der serbische Präsident Boris Tadic anerkannten das Votum im Gegensatz zum serbischen Ministerpräsidenten Vojislav Kostunica. Wenige Tage später (HT, 06-06-16) jedoch anerkannte der Staat Serbien Montenegro offiziell als unabhängigen Staat.

Was mit der Provinz Kosovo, dem ewigen Zankapfel Serbiens passiert, ist immer noch unklar.

Infos zum Land Montenegro

Zum Kosovo-Konflikt


Der ehemalige Vielvölkerstaat ist noch lange nicht zur Ruhe gekommen. Über Teil-Konflikte berichten wir auf den Seiten von:

Bosnien-Herzegowina

Kosovo


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Quellen:

Die Balkanstaaten Jugoslawien, Albanien, Bulgarien, Griechenland. (Länder und Völker. Enzyklopädie für Geographie, Geschichte, Kunst, Kultur, Sitten und Bräuche.) Geographisch-Kulturelle Gesellschaft im Kunstkreis Luzern. Kunstkreis-Buchverlag W. Schweizer, Luzern.

Rother, Frank: Jugoslawien. Kunst, Geschichte und Landschaft zwischen Adria und Donau. Köln: DuMont Buchverlag 1976

Der Große Brockhaus.

Dingemann, Rüdiger: Westermann Lexikon Krisenherde der Welt. Konflikte und Kriege seit 1945. Braunschweig 1996

Haller Tagblatt 97-07-24, 97-09-24, 2003-02-05, 2003-03-08, 2006-04-23, 2006-05-22, 2006-05-23, 2006-05-24, 2006-06-16



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Stand: 06-07-12
Letzter Bearbeiter: Jürgen Gierich
Frühere Bearbeiter: Jürgen Gierich, Evelin Lehmann, Yvonne Rieger, Katrin Seubert (2005)
Grafik: "Unsere Erde" von Rudas & Karig (Verlag Markt und Technik)
Datei: balkan/jugoslaw.htm